Sozialzirkus in Costa Rica

Das Zirkusprojekt Circo Fantazztico der Partnerorganisation Vida Nueva bietet Kindern und Jugendlichen aus sozialen Randzonen in San Isidro, Costa Rica, eine Alternative zur Kriminalisierung in Banden und zur Perspektivlosigkeit in ihrem schwierigen sozialen Umfeld.

Gruppenfoto Sozialzirkus

Sozialzirkus in Costa Rica

Der Sozialzirkus Circo Fantazztico bietet Kindern und Jugendlichen aus San Isidro, Costa Rica, eine Alternative zur Kriminalisierung in Banden und zur Perspektivlosigkeit in ihrem schwierigen sozialen Umfeld. Er fördert das Können und das Selbstvertrauen der Teilnehmenden und gibt ihnen die Möglichkeit, in einem sicheren und freien Raum mit ihren eigenen Fähigkeiten zu experimentieren und sich in verschiedenen Lebensbereichen zu entwickeln.

Fotoreportage aus dem Projekt in Costa Rica

Aufführung des Circo: Jonglage

Das Stück, mit dem der Circo Fantazztico auf Tournee geht, entwickeln die Artist:innen selber. Costa-ricanische Künstler:innen und ihre Werke dienen ihnen als Inspiration, aus der meist ein sehr poetisches Zirkusstück entsteht.

Aufführung des Circo

Das Können der Artist:innen und ihre Lieblingsdisziplinen spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Das fertige Stück entwickelt sich während der Tournee weiter und wird an die räumlichen Gegebenheiten jedes Auftrittsorts angepasst. So variieren die Shows von Ort zu Ort, doch bringt das die Kinder und jungen Erwachsenen überhaupt nicht aus der Fassung. Im Gegenteil – sie gehen mit beeindruckender Flexibilität und Gelassenheit auf die unterschiedlichen Bühnenbedingungen ein und lassen sich von neuen Herausforderungen inspirieren.

Aufführung des Circo

Wichtig ist den Artist:innen auch der Austausch mit dem Publikum und das direkte Feedback der Zuschauer:innen. Die vielfältigen Erfahrungen und Eindrücke, die sie auf ihrer Reise sammeln, tragen sie schliesslich mit nach Hause, wo sie diese Erlebnisse mit den anderen Kindern und Jugendlichen im Projekt teilen. So wird jede Aufführung zu einer wertvollen Bereicherung für die gesamte Gruppe.

Aufführung des Circo

Bei den Auftritten des Circo Fantazztico wird spürbar, wie stark die Gruppe der Kinder und jungen Erwachsenen zusammenhält und sich gegenseitig vertraut. Dieses Vertrauen schafft eine besondere Dynamik und ist ein wesentlicher Grund für die Faszination, die ihre Darbietungen beim Publikum auslösen.

Aufführung des Circo

Gleichzeitig sind dieser Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen eine Voraussetzungen für das Gelingen der oft anspruchsvollen und nicht ungefährlichen Kunststücke. Ob bei der riskanten Flugakrobatik oder den vielköpfigen Pyramiden – die Artist:innen verlassen sich blind aufeinander und meistern die Herausforderungen nur als Team.

Gruppenbild nach der Vorstellung

Das Gemeinschaftsgefühl ist ein zentraler Wert im Projekt Circo Fantazztico. Es zeigt den jungen Artist:innen, dass sie gemeinsam stark sind und grosse Dinge erreichen können. Gerade in ihrem schwierigen sozialen und ökonomischen Umfeld zu Hause ist diese Erfahrung von unschätzbarer Bedeutung.

Porträt einer Artistin

Anyeli ist 13 Jahre alt und seit zwei Jahren ein Teil des Circo Fantazztico. Für sie bedeutet der Circo mehr als nur Akrobatik und Kunststücke.

Szene aus dem aktuellen Stück

„Ich bin beim Circo mit vielen lieben Menschen zusammen. Wir lernen gemeinsam und wir halten zusammen. Es ist ein glücklicher Ort und das macht mich zu einer zufriedenen und freundlichen Person. Der Circo hat mein Leben glücklicher gemacht, ohne ihn würde mir etwas fehlen! Auf der Tournee gefällt mir alles, ich vermisse nur meine Mutter, meinen Bruder und meinen kleinen Hund. Am liebsten habe ich die Vorstellung, da bin ich ganz frei und mir gefällt der direkte Kontakt mit den Zuschauer:innen.“ Anyeli, links

Porträt einer Artistin

Luana, 21 Jahre alt, gehört auch seit zwei Jahren zum Circo Fantazztico und ist eine der leidenschaftlichen jungen Artistinnen die das Projekt prägen.

  

Szene aus dem aktuellen Stück

„Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Circo gibt einem Werkzeug in die Hand und zeigt Möglichkeiten auf, aber man ist völlig frei zu tun, was man möchte. Der Circo ist ein geschützter Ort, wo die Teilnehmenden Talente entdecken können, von denen sie nicht wussten, dass sie sie haben. Auf der Tournee gefällt mir sehr, wie die Leute auf unsere Vorführung reagieren. Wenn ich auf der Bühne bin, bin ich mich selbst und die Puppe Cocorí gleichzeitig und gemeinsam mit meiner Kollegin gebe ich Cocorí Leben.“
Luana, rechts

Porträt eines Artisten

Fabricio, 20 Jahre alt, ist seit drei Jahren Teil des Circo Fantazztico und hat sich inzwischen zu einem erfahrenen Mitglied entwickelt, das selbst Trainingsstunden für Kinder leitet.

Szene aus dem aktuellen Stück

„Ich war eine zurückhaltende Person und der Circo hat mir geholfen, Talente zu entdecken und neue Freunde zu finden. Im Circo sind wir alle wie Kinder: Ganz im Moment, fasziniert von den Möglichkeiten und einfach glücklich. Im Viertel Cocorí gibt es junge Leute, die sich von einem schlechten Umfeld angezogen fühlen und Gefahr laufen, dort hineingezogen zu werden. Der Circo versucht sie zu motivieren, in den Trainings mitzumachen und eine andere Perspektive zu finden. Es ist ein Projekt für die Gemeinschaft.“ Fabricio, links

Zwei junge Teilnehmende des Zirkus umarmen sich nach der Vorstellung

Diese Beispiele zeigen, dass der Circo Fantazztico von einer starken Gemeinschaft lebt, in der sich die Kinder und Jugendlichen gegenseitig unterstützen. In diesen Räumen wird nicht nur ein Ort des Lernens geschaffen, sondern auch ein geschützter Raum, in dem Freundschaften entstehen und Talente sowie neue Perspektiven entdeckt werden.

Das Sozialprojekt Circo Fantazztico

Das Sozialprojekt Circo Fantazztico bietet sozial gefährdeten Kindern eine Freizeitbeschäftigung und eine Alternative zur Kriminalisierung in Banden und zur Perspektivlosigkeit in ihrem sozialen Umfeld. In unterschiedlichen Altersgruppen lernen sie Artistik und Zirkuskunst kennen, aber auch das soziale Miteinander wird gestärkt und gelebt.

Das Sozialprojekt Circo Fantazztico

Das Sozialprojekt Circo Fantazztico bietet sozial gefährdeten Kindern eine Freizeitbeschäftigung und eine Alternative zur Kriminalisierung in Banden und zur Perspektivlosigkeit in ihrem sozialen Umfeld. In unterschiedlichen Altersgruppen lernen sie Artistik und Zirkuskunst kennen, aber auch das soziale Miteinander wird gestärkt und gelebt. Der Circo bietet wöchentliche Kurse für mehr als 200 Kinder und Jugendliche mit verschiedenen Bedürfnissen an. Die Trainings werden vom internen Circo-Team, freiwilligen HelferInnen und ehemaligen ArtistInnen betreut. Auf die individuellen Anliegen jedes Kindes wird eingegangen und auf die jeweiligen Stärken aufgebaut. In dieser Fotoreportage wird der Alltag zweier jugendlicher Artisten des Circo bebildert.Photos Christian Jaeggi

Fotoreportage aus dem Projekt in Costa Rica

Die Mutter von Jennifer (16 J.) arbeitet und lebt in den USA und schickt regelmässig Geld nach Hause, mit dem sich ihre Tochter ab und zu Dinge leisten kann, welche kaum andere Leute in ihrem Umfeld kaufen können. Das Wireless im Haus ermöglicht es Jennifer, Kontakt zu ihrer Mutter zu haben. Das einzige Bild ihrer Mutter hat sie auf dem Smartphone.

Die Wohnung ist mit wenig Habseligkeiten eingerichtet und strahlt eine Leere aus. An der Wand rechts hängt ein Bild der Grossmutter, die Jennifer und die Geschwister aufgezogen hat. Seit ein paar Jahren ist sie jedoch verstorben.

Die Geschwister werden von der Tante betreut, welche nebenan wohnt. Der älteste Bruder war in San José für drei Jahre im Gefängnis und gilt seither als verschollen. Als Jennifer zwei Jahre alt war, wanderte die Mutter ohne gültige Aufenthaltsbewilligung in die USA aus. Vor kurzem hat Jennifer erfahren, dass ihre Mutter es irgendwie geschafft hat, eine Besuchserlaubnis für Jennifer zu erhalten. Das würde ein Wiedersehen nach sehr langer Zeit ermöglichen.

Neben dem Schulalltag und dem regelmäßigen Training beim Circo Fantazztico verbringen Jennifer und ihre Schwester viel Zeit mit ihrer älteren Cousine Alexandra. Sie wohnt nebenan und ist ein grosses Vorbild für Jennifer, denn sie war mit dem Circo schon auf Europatournee.

Da das Viertel von Jennifer zu den sichereren in der Gegend gehört, laufen die drei Mädchen oft gemeinsam zur Schule, wo sie Blockzeiten von 10-14 Uhr haben.

Nach der Schule werden sie, zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen, vom Circo- Shuttelbus eingesammelt und an die Trainingsorte gebracht. Für viele ist dies die einzige Möglichkeit an den Trainings teilzunehmen, da viele in abgelegenen Ortschaften leben.

Dieses Jahr wird auch Jennifer zum ersten Mal bei der Europatournee mit dabei sein. Mit Alexandra trainiert sie nun mehr als die gewohnten ein bis zwei Mal die Woche Akrobatik, Tanz und ihr geliebtes Vertikalseil. Der Circo ist ihre zweite Familie geworden und bietet ihr einen geschützten Rahmen, wo sie gefordert wird und einen wichtigen Teil der Gruppe bildet.

Akrobatik am Vertikalseil wird neben dem Haus der HelferInnen trainiert. Die freiwilligen BetreuerInnen, welche für eine temporäre Zeit aus dem Ausland kommen um beim Circo mitzuhelfen, bringen sportliche, artistische und pädagogische Fähigkeiten mit.

Jennifer und Yeron beim Training in der Haupttrainingshalle des Circo Fantazztico. Beide haben es dieses Jahr in die engere Runde geschafft, da ihre Notenabschlüsse gut waren und sie regelmässig am Training teilnehmen. Sie werden für zwei Monate mit einer 20-köpfigen Gruppe durch Europa reisen und ihr neues Stück „Der Hexentanz“ präsentieren.

Das Leichtgewicht Yeron (16 J.), zuoberst auf der Pyramide, hat Glück. Seine Schule unterstützt die Jugendlichen, die in ihrer Freizeit im Circo Fantazztico mitwirken. Die Schulleitung sieht den Circo als einen wichtigen Faktor in der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, da er in ihrem oft unstabilen Umfeld eine sinnvolle Freizeitgestaltung bietet.

Der Jungartist Yeron ist nicht das einzige Circo-Mitglied. An dieser öffentlichen Schule gibt es noch weitere Circo Fantazztico ArtistInnen. Einige waren schon auf der Zirkus Europatournee mit dabei. Hier im Bilde der Geschäftsleiter Roland Spendlingwimmer der Partnerorganisation VIDA NUEVA, der den Circo Fantazztico ins Leben gerufen hat und in regelmässigem Kontakt mit den Schulen steht.

Um an der Europatournee teilzunehmen sind der regelmässige Schulbesuch und gute Schulleistungen erforderlich. Yeron wird dieses Jahr zum zweiten Mal bei der Europatournee dabei sein und trainiert täglich für seine Reise nach Europa.

Im Armenviertel Cocorí ist das Drogengeschäft allgegenwärtig. Darum ist Vorsicht auf den Strassen und in den Parks geboten. Yeron und seine Freunde wissen, wo man sich zu welcher Uhrzeit nicht mehr aufhalten soll, sie sind stets wachsam und bewegen sich in Gruppen. An den Stromleitungen aufgehängte Schuhe zeigen, dass in dieser Strasse Drogen verkauft werden.

Die Distanzen zur Schule und zu den Trainings sind lang. Doch dafür gibt es genug Möglichkeiten und Platz zu trainieren und spielerisch die Kräfte zu messen.

Der eher scheue und ruhige Yeron blüht mit seinen besten Freunden auf und übt den Salto auf offener Strasse. Im Circo ist er meistens zuoberst auf der Pyramide platziert und wird in der Akrobatik wegen seines Leichtgewichts durch die Luft gewirbelt.

Für dieses Bild kamen extra alle Familienmitglieder im Garten von Yeron zusammen. Er lebt in einer intakten Grossfamilie, was sonst eher selten der Fall ist. Die Familie hat finanzielle Schwierigkeiten, Yeron erhält trotzdem von ihr die volle Unterstützung, um als Artist weiterzukommen. Alle sind sehr stolz, dass Yeron schon zum zweiten Mal bei der Europatournee mit dabei ist.

Ein wichtiger Ort für die Jungs aus dem Quartier ist der Mangobaum, wo sie sich Geschichten erzählen, sich austauschen und entspannen können.

Sein Artistik-Wissen gibt Yeron auch gerne an die jüngere Generation weiter. Beim Fussball spielen verrät er Tipps und Tricks aus der Zirkus Welt.